»Das Geheimnis
des Erfolges ist,
den Standpunkt
des anderen
zu verstehen.«

Henry Ford

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Foto eines Hirten, der sich gegen den kalten Wind seine Decke vors Gesicht zieht.

Ansichtssache – 3 Sichtweisen zu einem einzigen Bild

Bildbetrachtung

Das menschliche Hirn tickt unterschiedlich. Bei Bildern bzw. Assoziationen gilt das besonders. Das wollte ich genau wissen – anhand eines kleinen Experiments. Dazu habe ich Christiane Bechler gebeten, mir ein Foto zur Verfügung zu stellen, wo das Motiv nicht allzu selbsterklärend ist. Das habe ich dann drei ganz unterschiedlichen Leuten gezeigt, verbunden mit der Frage »Was siehst Du?«

Ich denke, es ist ganz spannend zu beweisen, dass ein Bild mehr als 1000 Worte sagt, anstatt ständig diese Floskel zu bemühen. Und ja, ich freue mich, wie unterschiedlich die Antworten sind.

Ein Foto – 3 Sichtweisen

Julia, Studentin, antwortete ausführlich und fast philosophisch:
»Was ich auf dem Bild sehe? Einen Mann. (Davon gehe ich einfach aus.) So verwildert angezogen, man könnte meinen, er sei gerade noch in einem Kampf gewesen. Aber was für ein Kampf? Wahrscheinlich eher ein wilder … vielleicht wollte er ein Tier erlegen. Deswegen auch der Speer an der Rechten? Mit den Farben des gesamten Bildes irgendwie stimmig, passt er nicht vollständig ins Bild hinein. Er ins Weite blickend, der Hund ihm abgeneigt. Ein Beschützerhund? Beschützerisch, in dem er zurückschaut, weil es vielleicht dort besser war? Vielleicht erträglicher und weniger gefährlich. Die Landschaft, die Art wie der Mann steht, die Mimik des Hundes über Skepsis und Obacht lässt vermuten: Die Reise geht weiter – mit Hund. Und nicht ungefährlich. Im Vergleich zur restlichen relativ tristen Landschaft leuchtet der Himmel schon fast. Geteiltes Leid ist halbes Leid.«

Mein Vater hat sich da schon kürzer gefasst. Nur den inneren Hundefreund konnte er nicht ganz einbremsen.
Seine Antwort: »In dem Bild sehe ich ganz eindeutig einen Rinderhirten in der kenianischen Hochebene (vermutlich einen Massai). Den Stock benötigt er zur Abwehr wilder Raubtiere. Nur der Hund bzw. die Rasse will nicht so recht ins Bild passen. Kann es sein, dass der sich verlaufen hat? Oder ist er aus dem Tierheim ausgebüchst?«

Andrea, Texterin, war kurz angebunden. O-Ton:
»Ganz klare Sache! Ein Wanderer mit Kutte. Sieht doch jeder. Warum fragst Du eigentlich?«

Die Geschichte zu dem Foto

Und jetzt kommen wir zur Auflösung. Am Ende weiß es nur die Fotografin. Hier Christianes Geschichte zu dem Motiv:

»Dieses Foto entstand auf meiner Reise durch Südafrika bei einem Ausflug in die Drakensberge von Lesotho. Bei diesem Road Trip am Sani Pass kamen wir durch faszinierende Landschaften, wie ich sie sonst noch nie gesehen habe.

In dieser unglaublichen Weite stand nur alle paar Kilometer ein Häuschen und sonst sah man nur Schäfer mit ihren Tieren, die den ganzen Tag bei Wind und Wetter im Freien lebten. Der einzige Schutz gegen den kalten Wind, den sie hatten, waren zerfledderte Decken und Sturmmützen aus denen nur die Augen raus schauten. Um die Tiere im Zaum zu halten hatten sie ihre langen Stöcke und Hunde. Dort, nicht weit vom höchsten Punk Südafrikas entfernt, habe ich dieses Foto von einem Hirten geschossen, der sich gegen den kalten Wind seine Decke vors Gesicht zieht.«

Mein Fazit:

Dass es sich um einen Menschen handelt, wurde immerhin von allen Beteiligten erkannt. Und doch sind die Assoziationen, oft aufgrund eigener Erfahrungen extrem unterschiedlich. Natürlich auch, wie viele Gedanken sich der Betrachter dazu macht bzw. Zeit investiert – und ob überhaupt. Beim Konzipieren einer Bildsprache gilt es das zu bedenken. Da man so zahlreiche Aspekte berücksichtigen muss, gar nicht so einfach.

Vielleicht ist genau das der Grund, warum Bildsprache mein absolutes Steckenpferd ist?